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Da ist sie also – die letzte Station auf unserer Reise: Island. Als wir unsere Reise begannen, wussten wir noch nicht, wohin es uns alles verschlagen würde. Aber den Wunsch auf dem Rückweg einen Abstecher nach Island zu machen, hegten wir schon, seit wir vor fast einem Jahr aufgebrochen waren.

So ganz langfristig hatten wir dann aber unsere Islandreise doch nicht auf dem Schirm. Aus Mexiko schickten wir einen Teil unseres Campingequipments zurück nach Hause, das wir für Island sehr gut hätten gebrauchen können. In Seattle shoppten wir uns die fehlende Ausrüstung wieder zusammen, u.a. Schlafsäcke, die bis zu -1° C warmhalten. In der Hoffnung, dass das für den isländischen Herbst ausreichend sein würde.

Island-Upgrade unserer Ausrüstung

Wenn man nach Island fährt, dann hat man vor allem eines: Eine sehr lange ToDo-Liste, was man alles gesehen und gemacht haben muss: Einen Geysir sehen, in einer heißen Quelle baden, Polarlichter, Gletscher, Islandponys, Wasserfälle, Wale bestaunen, Gammelhai essen…

Wenn man wie wir die Recherchen, was man nun eigentlich konkret in Island anstellen möchte, erst vor Ort macht, kommen noch einige Punkte dazu: Papageientaucher, Eisberge und Eisschollen, Torfhäuser, Geothermalgebiete, Polarfüchse, die isländische Schwimmkultur kennenlernen und viel Softeis essen.

Wo fängt man da bloß an?!? Ich kann schon vorwegnehmen: Wir haben nicht alles abgehakt. Genau genommen drei Punkte fehlen. Aber man braucht ja immer einen Grund nochmal zurückzukommen.

Für einen Kaltstart mit zig Sehenswürdigkeiten und Menschenmassen fühlten wir uns (noch) nicht gewappnet. Vor allem da wir doch leicht gejetlagt aus dem Flieger gestiegen sind, der mal eben die Nacht übersprungen hat. Und wir 20° C Temperaturunterschied verkraften mussten. Nach unten.

Wir googleten die nächstgelegene heiße Quelle und los ging’s zum badewasserwarmen Fluss Reykjadalur. Übrigens eignet man sich anhand der ganzen Namen sehr schnell ein paar Grundkenntnisse Isländisch an:

dalur = Tal
foss = Wasserfall
fossar = mehrere Wasserfälle
jökull = Gletscher
fjördur = Fjord

Nur die Aussprache ist mal gar nicht ohne… vor allem weil es so lustige Buchstaben wie ð, þ und æ gibt.

So, wir wollen ja aber zu dem heißen Fluss. Dass es kein Geheimtipp war, war uns vorher klar, aber der Fluss sollte lang genug sein, dass jeder ein warmes Plätzchen finden sollte. Auf dem 3km langen Trek sahen wir bereits die ersten kleinen und großen blubbernden Quellen, die etwa 100° C heiß sind! Wahnsinn, ich habe sowas noch nie zuvor gesehen!

Island, wie man es sich vorstellt: Überall dampft es aus der Erde.
Nicht der schönste Hotpot

Im Fluss tummelten sich in der Tat einige Menschen, aber wir fanden für uns genügend warme Stellen zum Genießen.

Der badewannenwarme Fluss Reykjadalur
Na, wenn das mal keinen Lammbraten gibt…

Ob es am warmen Wasser lag oder daran, dass es nach nordamerikanischer Zeit 7 Uhr morgens war – wir waren schlagartig hundemüde und steuerten den nächsten Campingplatz in Selfoss an. Dort war mal gar nichts los. Waren wir mit unserem Wir-campen-in-Island-Vorhaben etwa etwas optimistisch gewesen?

Nee, meinte der Campingplatzwart. Die meisten kämen bloß erst zwischen 18 und 20 Uhr. Wir bauten unser Zelt schnell am geschütztesten Platz auf, da ich ziemliche Bedenken hatte, wie kalt es wohl nachts werden würde… und fuhren dann nochmal zu einem nahegelegenen Wasserfall, dem Urriðafoss. Aber da war einfach nicht viel zu machen: Einer von uns musste dringend ins Bett, und einer endlich mal einen Plan für Island zusammenstellen.

Tag 2: Chasing Waterfalls

Geht das eigentlich jedem so, dass er nach einem Langstreckenflug erstmal bis in die Puppen schlafen könnte? Um 10 Uhr morgens zwang ich mich (und Jan) zum Aufstehen. Erstens schien wunderbar die Sonne und zweitens wollten wir ja Island nicht verschlafen. Achso, und kalt war es übrigens nachts überhaupt nicht!

Wir hatten uns intuitiv dafür entschieden die berühmte Ringstraße einmal um Island gegen den Uhrzeigersinn zu umrunden. In diesem Fall liegt als erstes der Golden Circle auf der Route, der die touristischsten aller touristischen Highlights Islands beherbergt. Diese summieren ganz gut das, was Island zu bieten hat: einen Geysir, einen Wasserfall, einen mit Wasser gefüllten Vulkankrater und eine Felsschlucht zwischen zwei Erdplatten. Die Runde kann man locker an einem Tag machen, weswegen zig Reisebusse auf der Strecke unterwegs sind.

Wir steuerten nur den Geysir Strokkur und den Wasserfall Gullfoss an. Auch wenn es wirklich wahnsinnig voll war, fand ich diese beiden Naturwunder spektakulär. Der Geysir kann die Menschenmassen ohne weiteres verarbeiten, da er verlässlich alle 5 Minuten in einer 20-30 Meter hohen Wasserfontäne ausbricht. Jeder Zuschauer hat nach 2-3 Ausbrüchen ein gutes Selfie und der nächste Schub Schaulustiger kann nachrücken.

Geysir Strokkur, der verlässlich alle 5 Minuten ausbricht.
Das Häuschen wurde über eine heiße Quelle gebaut.

Anschließend fuhren wir zum gewaltigen Wasserfall Gullfoss, den Dank der scheinenden Sonne ein großer Regenbogen schmückte.

Gullfoss

Und da uns die Kombination Wasserfall + Regenbogen so gefiel, steuerten wir gleich den nächsten an: Háifoss. Tatsächlich spricht man ihn nicht wie den Fisch aus, sondern mehr so „Howyfoss“.

In Island sind zwar viele Straßen geteert, viele aber auch nicht. Die ganz üblen sind so genannte F-Straßen, die man nur mit Vierradantrieb befahren sollte bzw. darf. Die 7km lange Straße zum Háifoss fällt zwar offiziell nicht in diese Kategorie Straßen, praktisch aber schon. Naja, wird schon schief gehen, wir hatten ja das All-Inclusive-Versicherungspaket abgeschlossen…

Glücklicherweise saß Jan am Steuer. Meine Nerven haben die Fahrt schon kaum auf dem Beifahrersitz ausgestanden! Vor allem nachdem wir einmal böse aufgesetzt sind…

Am Ende der Straße angekommen standen wir auf einem überschaubar besuchten Parkplatz inmitten einer moosbedeckten Ebene. Vor uns stürzte der Háifoss 122m beeindruckend in die Tiefe und ist damit der dritthöchste Wasserfall Islands. Dazu blauer Himmel – wow!

so schön…
Auf dem Weg zum Háifoss
Háifoss

Aber das war noch nicht alles, was uns an Naturschönheit erwartete. Ein paar Meter weiter, mit der Sonne im Rücken – den Trick habe ich schnell gelernt – erstrahlte ein Regenbogen an der Seite des Háifoss. Einfach unbeschreiblich.

Von diesem Anblick kann man sich ja zugegebenermaßen kaum lösen. Andererseits ist die Kombination Island+Sonne auch nicht täglich zu erwarten. Vielleicht könnten wir ja noch einen weiteren Wasserfall mit Regenbogen bewundern?

Wir fuhren also – mit noch einmal aufsetzen – weiter Richtung Gljúfurárfoss und Seljalandsfoss. Zwei Wasserfälle direkt nebeneinander. Nachdem wir unterm Gljúfurárfoss unser Zelt aufgeschlagen hatten, besichtigten wir erst einmal diesen Wasserfall, der quasi in einen Berg hineinfällt. Und in diesen Berg kann man durch einen Höhleneingang mit wasserfester Kleidung sogar reinlaufen.

on the road again…
typisch Island
Camping Hamragarðar
Gljúfurárfoss – von oben…
…und von innen.

Der Seljalandsfoss ist sogar noch toller, denn erstens erwartete uns dort tatsächlich in der Abendsonne ein weiterer Regenbogen. Und zweitens kann man hinter dem Wasserfall auf einer Felsstufe entlanglaufen und von dort dem Sonnenuntergang entgegenschauen. Leider war mein Kameraequipment mit der Szenerie aufgrund des Sprühregens des Wasserfalls leicht überfordert. Sonst wären das wahrscheinlich GEO-Fotopreis-taugliche Bilder geworden… 😉

Seljalandsfoss

Wahnsinn – was für ein Tag! Wir waren an diesem Tag so weit kurzerhand nach Island auszuwandern. Wir hatten sogar schon einen Plan: Jan arbeitet ein halbes Jahr von Reykjavik aus und ich – ähm, ok, der Plan war noch nicht ganz ausgereift.

Tag 3: Ü60 Party auf dem Gletscher Sólheimajökull 

Am Abend zuvor hatten wir uns für eine Gletscherwanderung am Sólheimajökull eingebucht. Dort angekommen die große Ernüchterung: Unsere Gruppe war 20 Mann stark und fiel – ohne jemandem zu nahe treten zu wollen – in die Kategorie 60+…

Wir wurden mit Helm, Klettergeschirr, Steigeisen und Eisaxt ausgestattet. Theoretisch hätte ich mich jetzt auf die bevorstehende Wanderung gefreut, aber mit Blick in die Runde, war ich mir nicht so sicher, ob wir die Ausrüstung vielleicht doch nur für professionell aussehende Fotos trugen…

Der Fuß des Gletschers Sólheimajökull.
Fühlt sich professionell an!
Bei Jan klappt das mit dem Professionell-für-Fotos-aussehen schonmal sehr gut!

Tatsächlich bestätigte sich der erste optische Eindruck schnell: Nach der 10-minütigen Wanderung vom Parkplatz zum Gletscher warteten wir weitere geschlagene 20 Minuten, bis auch der letzte aus unserer Gruppe eingetroffen war. Als es dann endlich aufs Eis ging, entschuldigte sich der Guide vorab bei uns: Die Reisegruppe sei morgens ohne Voranmeldung in seinem Büro erschienen und wollte mit auf die Wanderung. Tatsächlich seien es normalerweise viel weniger Leute – und vor allem war das Fitnesslevel bei einigen wirklich nicht ausreichend. Da hatten wir einfach Pech gehabt…

Ganz schön viel graues Haar…
Aufstieg zum Gletscher
Tadaaaa!

Wir kamen insgesamt nicht weit auf dem Gletscher. Im Endeffekt hätten wir uns einfach in den USA Steigeisen kaufen und die Wanderung auf eigene Faust machen können. Sag ich jetzt mal so. Jaja, ich weiß, da soll’s so 700m tiefe Gletscherspalten und -löcher geben, die man leicht übersehen kann…

Diese gehört nicht zu den leicht übersehbaren Gletscherspalten.
Rückweg
Ich sehe was, was Du nicht siehst…

 

Zugegeben: Ich sitze hier drei Wochen nach unserer Reise und tippe meine Islanderinnerungen runter. Dafür habe ich einen Spickzettel. Auf dem Spickzettel stehen insgesamt 50 Sehenswürdigkeiten, die wir auf Island gesehen haben. Zum Beispiel, dass wir nach der Gletscherwanderung noch an den Felsen von Dyrhólary waren – weil es dort Papageientaucher geben soll. Ja, ich erinnere mich. Aber es ist einfach unmöglich sich alle Namen zu merken.

Papageientaucher hatten leider nicht Saison…
Felsen von Dyrhólary: Ein bisschen wie Etretat

Die Papageientaucher brüten leider nur bis Mitte August auf Island, wie ich aber erst später bei meinen Recherchen entdeckte. Außerdem besuchten wir den schwarzen Strand von Reynisfjara bei Vik. Insgesamt kam es uns aber an diesem Tag so vor, als würden alle Island-Roadtripper (und leider auch alle Busreisen) dieselben Punkte abklappern.

schwarzer Strand von Reynisfjara bei Vik
Nur so…
…und nur so kommt man auf Island auch an solch tollen Landschaften vorbei.

Ganz wichtig – in Island gibt es eine richtige Schwimmbadkultur: Jeder Ort, egal wie klein er ist, verfügt über ein Schwimmbad. Und diese werden auch größtenteils nur von Isländern und nicht von Touristen genutzt. Klar, dass wir uns das mal anschauen, oder? Man zieht seine Schuhe im Flur aus, geht dann in die Umkleide, unbedingt nackt in die Dusche und erst dann (in Badebekleidung) ins Schwimmbad. In unserem Fall in das von Kirkjubæjarklaustur. Und oft haben Schwimmbäder auch nur ein Außenbecken und definitiv immer einen Hotpot. Dort lässt es sich mit Blick auf einen Wasserfall auch bei 7° Außentemperatur sehr gut aushalten.

Tag 4: Ice, Ice, Baby!

Direkt hinter unserem Zelt auf dem Campingplatz von Kirkjubæjarklaustur ging ein langer schmaler Pfad einen Berg hoch. Da Jan noch schlief, erklomm ich diesen kurzerhand. Irgendwann verschwand der Pfad und nur noch Schäfchen-Spuren führten nach oben. Mein Verstand sagte mir: Lass es. Mein Wunsch oben Schäfchen zu sehen, sah dann und wann auch einen Schuhabdruck.

Kann man mal hochlaufen, finde ich.
Blick auf den Campingplatz von Kirkjubæjarklaustur – wer erkennt unser Zelt?

Oben angekommen spazierten mir auch prompt ein paar kuschelige, süße Schäfchen entgegen. Ich wollte mir eigentlich genau einprägen, wo ich den Berg hochgekommen war. Denn wenn ich eines auf unserer Reise gelernt habe: Orientierung ist definitiv nicht meine Stärke. Stattdessen verfolgte ich die Schafe auf ihrer Bergwiese. Dass das eigentlich nur schiefgehen kann, weiß ich auch. Als ich wieder zurückgehen wollte, wusste ich natürlich nicht mehr, wo es wieder nach unten ging. Und der Abhang war so steil, dass man das von oben beim besten Willen nicht erkennen konnte. Ich nahm also den erstbesten Abzweig nach unten. Anfangs ging es auch noch, aber irgendwann wurde es richtig steil. Und ich konnte von dort ganz genau den Pfad erkennen. Leider lag er zehn Metern entfernt von meiner gewählten Route…

Hellooo – auf Euch hatte ich gehofft!
Aber sie nicht auf mich…

Ich versuchte es trotzdem erstmal optimistisch weiter. Aber irgendwann fragte ich mich ernsthaft, wie lebensmüde ich eigentlich bin. Und ich würde mal behaupten, dass ich wirklich nicht von der Sorte Mensch bin, die Angst am Berg hat. Es war einfach echt übelst steil und ohne erkennbaren Pfad. Irgendwann kehrte ich dann doch um. Und musste feststellen, dass ich ganz schnell wieder oben war und über den richtigen Weg auch relativ schnell wieder unten. Warum nicht gleich so?

Ein Gutes hatte es, dass mein kleiner Ausflug länger gedauert hatte: Jan war wach! 🙂 Auf dem Plan standen für den heutigen Tag zwei Highlights, auf die ich mich echt freute: Diamond Beach und die Gletscherlagune Jökulsárlón.

Wie das jedoch in Island so ist: Ohne Zwischenstop fährt man eigentlich nirgendwo hin. Und so hielten wir zunächst am Gletscher Svinafellsjökull, wo wir eigentlich nur ein schönes Foto von der Gletscherzunge machen wollten. Doch es stellte sich heraus, dass man von dort auch ganz gut auf dem Gletscherfuß entlanglaufen konnte. Ohne Steigeisen waren wir dann aber doch nicht mutig genug richtig aufs Eis raus zu gehen… Ihr wisst schon, 700m tiefe Gletscherspalten und so…

Gletscherzunge Svinafellsjökull von Weitem – da muss man doch noch näher drankommen?
Yesss – so nah hatten wir uns das vorgestellt!

Bevor wir zur großen Gletscherlagune Jökulsárlón kamen, entdeckten wir noch die kleine Gletscherlagune Fjallsárlón und dort die ersten “Eisberge”, die wir in unserem Leben sahen.

Jan – bescheiden wie immer.

Die Gletscherlagune Jökulsárlón und der Diamond Beach, der so heißt, weil Eisbergchen wie Diamanten den schwarzen Strand säumen, waren deutlich stärker besucht. Aber das zurecht!

Diamond Beach – in Wahrheit nicht ganz so idyllisch.
Ohne Menschen ist’s einfach schöner…
Wer entdeckt die Robbe?
Ich hab mich an dem Tag mal passend zur Landschaft in Schale geworfen…

Ganz witzig ist das Bild unten von unserem Campingplatz in Höfn, weil es Dich glauben lässt, dass wir unglaublich idyllisch gezeltet haben. Tatsächlich aber sind die isländischen Campingplätze oft unheimlich praktisch an der Straße gelegen. In dieser Nacht hatten wir auch noch das Glück unser Zelt unter einer Laterne aufgestellt zu haben. Und gut war auch, dass wir unser Zelt strategisch in Laufnähe zum Toilettenhäuschen platziert hatten… dessen Tür zur Männertoilette lauthals quietschte. Aber hey: schönes Bild, oder? 😉

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